Havelmi hat es sich zur Aufgabe gemacht, regionale Haferdrinks zu produzieren. Wie auf ihrer Website beschrieben ist das Produkt “biologisch, vegan, gemeinwohlorientiert und total lecker”. Das Start-up existiert erst seit 2020, hat aber seit 2017 schon jede Menge Erfahrung in der Produktentwicklung gesammelt und sogar schon eigene Versuche im Anbau von Hafer zu verzeichnen.
Wir haben dem geschäftsführenden Vorstand Paavo Günther einige Fragen gestellt. Lest selbst!
Es gibt schon einige Haferdrinks auf dem Markt, warum wolltet ihr Euren eigenen herstellen und anbieten?
Das stimmt. Allerdings gab es bei den bisherigen Angeboten keines, dass unseren Anspruch an ein nachhaltiges Produkt – so es denn überhaupt nachhaltige Produkte gibt – erfüllt. Verbundkartons, die zu beträchtlichen Teilen nicht recycelt werden; intransparente Herkunft der Rohstoffe; riesige Firmenstrukturen; geheime Produktionsweisen – all das und noch viel mehr wollten wir anders machen. Daneben gab es bisher kein Frischeprodukt und auch keines, das den Anspruch erhebt, jede Nutzungsform von Kuhmilch gleichwertig zu ersetzen. Darum haben wir Havelmi gegründet.
Warum verwendet Ihr Hafer als Zutat bzw. was zeichnet Hafer für die Nutzung Eures Produkts aus?
Hafer hat im Vergleich mit anderen Rohstoffen in unserer Region mit den geringsten ökologischen Fußabdruck (vgl. https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/oekobilanz-pflanzenmilch). Dazu ist der Eigengeschmack im verarbeiteten Zustand relativ gering oder zumindest durch die häufige Nutzung im Müsli den Leuten wohlbekannt. Auch die Produktentwicklung und die Rohstoffkosten schienen uns für das erste Produkt am geringsten zu sein. Es ist jedoch – neben Mischgetränken wie beispielsweise unserem bald erscheinenden Kakao – auch geplant, weitere Pflanzendrinks aus anderen Rohstoffen herzustellen.
Ihr seid eine Genossenschaft. Was ist die Idee dahinter?
Die Genossenschaft hat im Vergleich mit anderen Rechtsformen den entscheidenden Vorteil, dass sie kein Privateigentum schafft. Zwar gibt es auch hier den Unterschied zwischen Genoss*innen und „normalen“ Kund*innen. Jedoch haben wir uns durch die geringe Mindestbeteiligung von drei Anteilen á 50 € und die Offenheit für jedermensch dafür entschieden, prinzipiell jede*n Interessierte*n als Mitglied aufzunehmen. Dies gilt sowohl für natürliche als auch juristische Personen und ist aktuell insbesondere für Händler*innen lukrativ, da diese Rabatte beim Einkauf unserer Produkte über den Großhandel erhalten. Aber auch Endkund*innen können durch die Mitgliedschaft günstiger an unsere Produkte kommen, z.B. über unseren neuen Abholpunkt in Potsdam. Neben der finanziellen Beteiligung profitieren Genoss*innen auch durch das vielfältige Netzwerk, die Mitbestimmung in strategischen Fragen, Einblicke in die Produktion und neue Produkte, die sie als erstes testen können. Und die Genossenschaft profitiert von ihren Mitgliedern, da hier eine Vielzahl von Kompetenzen vorhanden ist, die wir mehr und mehr auch in unser Tagesgeschäft einfließen lassen.
Ihr habt wie auch wir vor kurzer Zeit eine Crowdfundingkampagne gemacht. Wie sind Eure Erfahrungen damit? Würdet Ihr diese Strategie anderen Start-ups weiterempfehlen?
Das Crowdfunding war für uns ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite hatten wir durch die gleichzeitig laufende Kampagne 12062020 und den massiven Eingriff von Startnext in die Aufmerksamkeit der anderen Kampagnen einen schweren Start. Solche Ereignisse und insbesondere das parteiische Verhalten einer ansonsten relativ neutralen Plattform sind jedoch nicht vorherzusehen und darum auch nicht planbar. Ob wir nochmal die (Vor-) Weihnachtszeit wählen würden, war auch ein Diskussionsthema, auf das wir keine Antwort fanden. Da wir bis Ende der regulären Fundingzeit jedoch noch lange nicht die Fundingsumme erreicht hatten, mussten wir die Kampagne verlängern. Dass Startnext diese Option bietet, war definitiv sehr hilfreich. Damit sollte mensch sich immer schon vorher beschäftigen.
Glücklicherweise lag unser Zeitraum noch vor den ersten Corona-Beschränkungen, damit konnten wir auch viel Öffentlichkeitsarbeit machen (Workshops, Verkostungen, Messen etc.). Das sollte mensch unbedingt einplanen und auch die eigenen Kapazitäten und ggf. Anmeldefristen für Veranstaltungen beachten.
Die Fundingsumme selbst wurde von vielen Leuten als zu hoch bezeichnet, insbesondere bei einer neugegründeten Initiative. Andererseits war und ist die Entwicklung und technische Umsetzung eines solchen Produktes sehr kostenintensiv, sodass auch unsere Fundingsumme nicht mehr als einen Anschub geben kann. Auch müssen zahlreiche Beträge (z.B. Gebühren für Startnext, deren Zahlungsdienstleister, Preise der Dankeschöns, Steuern…) von der Fundingsumme abgezogen werden. Denn Ziel war es ja, nicht nur die dort angebotenen Dankeschöns zu finanzieren, sondern zusätzliches Geld einzusammeln, mit dem eine Produktionsstrecke aufgebaut werden konnte. Auf der anderen Seite war der Preis von 7 € für eine einzelne Flasche Haferdrink alles andere als konkurrenzfähig und nicht ansatzweise mit dem UVP des fertigen Produkts vergleichbar. Das zu kommunizieren und allgemein eine sinnvolle Kalkulation zu konzipieren, waren für uns herausfordernde Aufgaben.
Nun ist ein knappes Jahr vergangen und wir sind immer noch mit der Auslieferung einiger Dankeschöns beschäftigt. Auch den enormen Koordinationsaufwand – insbesondere bei über 500 Unterstützer*innen – haben wir etwas unterschätzt. Andererseits hätten bei weniger Personen die gespendeten Summen viel höher sein müssen (und mit durchschnittlich 70 € für eine freie Unterstützung waren sie schon sehr hoch). Es ist auch immer hilfreich, jemenschen im Freundeskreis zu haben, der*die in kritischen Momenten bzw. gerade am Anfang einen Batzen Geld beisteuern kann. Das zählt mit zu einer guten Planung.
Unter dem Strich ist es eine sehr stressige und dennoch spannende Erfahrung. Ob wir heutzutage nochmal ein Funding machen würden, kann ich nicht einschätzen. Allerdings hatten wir durch die Rechtsform der Genossenschaft schon während der Kampagne die Möglichkeit, die Leute weiter an unser Unternehmen zu binden. Diese Kombination schätze ich als sehr sinnvoll und in unserem Falle auch gelungen ein.
Was sind Eure langfristigen Ziele?
Langfristig wollen wir uns vom reinen Hersteller von Haferdrinks zu einer veganen Meierei entwickeln, die verschiedenste Kuhmilchalternativprodukte aus veganen und regionalen Zutaten herstellt. Die Erhöhung der Energieeffizienz, Reduktion bzw. menschliche Verwertung unserer Produktionsreststoffe und allgemein kreislaufwirtschaftliche Herstellungsweise sind wesentliche Schritte zu einer enkeltauglichen Produktion. Die Genossenschaft soll durch immer mehr und vielfältige Mitglieder zu einem unabhängigen Unternehmen ausgebaut werden, dass einen wesentlichen Beitrag zu einer zukunftsfähigen Ernährung leistet. Auch politisch werden wir uns noch mehr engagieren und u.a. den Brandenburger Ernährungsrat noch intensiver unterstützen. Weiter setzen wir uns intensiv mit klimaneutraler Distribution und dem Thema Ausbildung auseinander, um zukünftig selbst geeignete Mitarbeiter*innen auszubilden.
Welchen Rat könnt Ihr Pinaks mit auf den Weg geben?
Eurer Vision zufolge wollt ihr Insekten als wertvolle Nahrungsquelle in Deutschland etablieren. Dahinter steckt neben der gustatorischen auch eine politische Mission, da Insekten laut meiner Kenntnis bisher nicht so einfach zum Verzehr angeboten werden dürfen. Ich wünsche euch daher, dass ihr in beiden Bereichen erfolgreich seid!
Gleichzeitig erinnere ich mich an einige Gespräche mit Camilo, in denen wir über die Substitution klassischer (tierischer) Mahlzeiten durch Insektenprodukte sprachen. Ich z.B. bin sehr offen für neue Geschmäcker und Produkte, jedoch auch in gewisser Weise ein „Texture Eater“. Vor allem aber habe ich Schwierigkeiten damit, „Ernährung“ und „Snacks“ miteinander in Verbindung zu bringen. Letztere sind in meinem Verständnis immer nur was für zwischendurch und können keine vollwertige Mahlzeit ersetzen. Um mich zu begeistern, bräuchte es demzufolge Produkte, die ich als Aufstrich auf’s Brot oder zu Beilagen wie Reis, Kartoffeln etc. verwenden kann. Selbst einen Insektenshake für Sportler*innen fände ich sehr spannend. Aber ich bin mir sicher, dass ihr solche Ideen auch schon hattet. 😉
Vielen Dank für das Interview!
Wenn ihr noch mehr über Havelmi erfahren wollt, dann schaut doch mal auf ihrer Webseite unter https://havelmi.org vorbei.